"Konrad!!" und die Ruhe nach dem Sturm

 


Früher fuhren wir am Wochenende oft zu meinen Großeltern. Da beide Großelternpaare in demselben Dorf wohnten, war das sehr praktisch. Wir fuhren hin, gingen erst zu den Eltern meiner Mutter, blieben eine Weile und plauderten dabei auch mit Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen, die alle unter einem Dach wohnten, und marschierten dann weiter zu den Verwandten väterlicherseits, die ebenfalls mit Tanten und Onkeln, Cousinen und Cousins zusammenwohnten.

Es war ein schieres Wunder, dass wir die Fahrt überlebten. Mein Vater fuhr, nun, aus seiner Sicht wahrscheinlich schwungvoll, aus Sicht meiner Mutter wie ein Henker. Gewöhnlich saßen mein Vater und mein Bruder vorne, meine Mutter, später meine kleine Schwester und ich hinten. Die 20minütige Fahrt war ein Höllentrip. Da mein Vater davon ausging, dass er der beste Fahrer der Welt war und prinzipiell ihm die Straße gehörte, wurde ordentlich aufs Gas getreten und noch schlimmer überholt. Soweit ich weiß, wurden eventuelle spätere Strafzettel mit seinen Kumpels von der Polizei einfach weggeplaudert. Ich weiß gar nicht, wie oft meine Muter rufend im Auto saß "Konrad!!"  und mein Vater kalt lächelnd in letzter Sekunde vor dem Gegenfahrer wieder auf unsere Spur einfädelte. Alle, die das nicht so machten, wurden als Sonntagsfahrer eher von oben herab betrachtet. 
Die Nachmittage verliefen eher ruhig und ohne besondere Ereignisse, so dass die Rückfahrt deutlich entspannter war. Meine Mutter saß vorne neben meinem Vater, wir hinten. Wir haben diese Strecke so oft gemacht, dass ich ziemlich genau die Strecke, alle Gerade und Kurven kannte, auch bei geschlossenen Augen. Ich peilte dabei des Öfteren, eigentlich immer, an, mich ein bisschen umsorgen zu lassen. Da ich nicht genau wusste, wann bei meinen Eltern die Besorgnis einkickte, ließ ich also gleich zu Beginn der Fahrt den Kopf nach unten sinken, um für das Umdrehen gewappnet zu sein. Denn wenn es eine Weile still im Auto war, drehte sich in der Regel meine Mutter nach uns um, um dann mit einem Seufzer der Erleichterung meinem Vater zu berichten, dass wir eingeschlafen seien. Ein Glück, denn nach dem letzten kleinen Schlenker beim Einparken auf unserem Grundstück wurden wir aus dem Auto direkt ins Bett getragen.